Hallo,
Zur 1. These: Sie ergibt Sinn. Die Naharbeit steigt immer weiter an und demzufolge auch die Kurzsichtigkeit. Ich finde, dass angestrengtes Sehen in die Ferne nicht (unbedingt) Kurzsichtigkeit verursacht.
Zur 2. These: Es liegt meiner Meinung nach daran, dass man die Brille
dauerhaft bei (langanhaltender) Naharbeit trägt. Da man (ohne Brille) kurzsichtig geworden ist, u.a. durch exzessive Naharbeit (man war emmetrop), und dann wieder durch die Brille emmetrop "wird" und diese bei exzessiver Naharbeit wieder dauerhaft trägt, wird man eben noch kurzsichtiger.
Fast kein Lebewesen wird emmetrop geboren, sondern eher hyperop. Durch "visual feedback" (wo ist das Bild? vor der Netzhaut, hinter der Netzhaut) entwickelt man eine Emmetropie. Eine These, weswegen man kurzsichtig wird: Bei langer Naharbeit (ohne kurzen Blick in die Ferne, das muss man noch näher erforschen) treten "lags of accommodation" auf (wohlmöglich wegen Strain, da unsere Augen für die Ferne sind) und das Bild ist leicht defokussiert. Die Bündelung findet leicht
hinter der Netzhaut statt. Dauert dieser Zustand lang genug an, passt sich das Auge auf die Distanz an - eine "Emmetropisierung" findet (immer noch) statt.
Zur 3. These: Das kann man so nicht pauschalisieren. Das Auge passt sich an in zu starkes konkaves Glas (für die Kurzsichtigen) an.
Bei Hühnern z.B. ist es so, dass sie sich an die Linse anpassen. Setzt man ihnen ein Plusglas vor die Augen, werden sie weitsichtig. Setzt man ihnen ein Minusglas vor die Augen, werden sie kurzsichtig. Man fand heraus, dass das Auge auf einen "myopic defocus" (d.h. die Bündelung geschieht vor der Netzhaut) viel sensibler reagiert als auf einen "hyperopic defocus" (Bündelung hinter der Netzhaut). Dieses Experiment hat man bei anderen Tieren auch durchgeführt, ihr könnt ja mal danach googlen.
Interessanter Artikel über Defokussierung beim Menschen:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20592235Hier wurde gezeigt, dass eine kurze Dauer von einem defokussierten Bild das Auge dazu bewegt, zu wachsen oder zu schrumpfen. Ich habe den Autor kontaktiert und gefragt, ob Langzeitstudien geplant sind. Er antwortete mir, dass sie eher interessiert sind, die Kurzsichtigkeit zu bremsen statt sie zu eliminieren. Eine Methode, wo eine myopische Defokussierung zu beobachten ist und die Myopieprogression gebremst wird, ist die
Orthokeratologie ("Halo effect", Defokussierung in der Peripherie).
Auf meine Frage nach seiner Mail, warum man nicht daran interessiert ist, die Fehlsichtigen zu "re-emmetropisieren", kam (natürlich & leider) keine Antwort mehr.
Das erklärt, warum es Fälle gibt, wo Menschen in der Natur waren und ihre Brille nicht mehr zur Verfügung hatten und wieder zur vollen Sehschärfe gelangten.
Ich habe selber durch die Bates Methode scharfe Momente erlebt, aber keinen wirklichen Fortschritt erzielt. Die These der "aktiven Emmetropisierung" ergibt für mich Sinn. Das Auge wächst zum Brennpunkt der Linse bzw. passt sich seiner Umwelt an, um die Tätigkeiten so entspannt wie möglich zu verrichten.
Grüße,
Ivan