Hallo Parkerspage,
willkommen im Forum!
Skeptisch sein und kritisch nachfragen gehört dazu, na klar.
Zur unterkorrigierten Brille sage ich auch "jupp, das ist sinnvoll". (Ich selber brauche bei der Bildschirmarbeit auch eine Brille, kenne also das Problem.) Gleichfalls ist es aber sinnvoll, die Brille in den 24 Stunden, die jeder Tag bereithält, so oft wie möglich wegzulassen.
Du bist evtl. beim Lesen schon auf Posts von Flo gestoßen. Er spricht statt von Augentraining, Sehtraining usw. lieber von "Wiedererlernen des richtigen Sehens". Das gefällt auch mir besser, weil es m. E. den Kern der Sache trifft . Im Folgenden meine Gedanken zu dem Thema:
Das menschliche "Sehsystem" (also alles, was uns die "natürliche Dienstleistung Sehen" beschert - Körper, Augen, Muskeln, Nerven, Gehirn usw.) funktioniert nach bestimmten anatomischen und physiologischen Grundsätzen. Diese sind in unserem Sosein als Menschen angelegt und vorgegeben - als eine Art natürlicher Bauplan und Bedienungsanleitung sozusagen.
Als Normalsichtiger verfährst du einfach nach diesen Grundsätzen, ohne groß nachzudenken. Du verstößt - aus irgendeinen Grund - nicht gegen die natürlichen Regeln deines Sehsystems. Deshalb siehst du gut und richtig und perfekt.
Als Fehlsichtiger und Brillenkorrigierter ist dir der richtige Umgang damit irgendwann verloren gegangen. Das kann verschiedene Gründe haben. Was auch immer es war, das Sehsystem hat sinnvollerweise einen Plan B parat, wenn Plan A - das natürliche Sehen - torpediert wurde. Das ist auch gut und richtig so. Besser irgendwie sehen als gar nicht mehr sehen.
Ein Prinzip, das auch unser restlicher Körper benutzt: Wenn du dich beispielsweise am Fuß verletzt hast, dann humpelst du. Das ist zwar eine auf Dauer physiologisch ungünstige Art der Fortbewegung und würde auf lange Sicht auch zu Fehlstellungen am Skelett führen, aber als Notfallplan unerlässlich, damit du erst mal weiter vom Fleck kommst. Sicher besser, als liegenzubleiben und von wilden Tieren gefressen zu werden.
Problematisch wird es erst dann, wenn Plan B sich verstetigt und einschleift.
Es geht also darum, den von der Natur vorgesehenen Plan A zum Sehen wieder zu finden. Sich die Praktiken zu erschließen, nach denen da vorgegangen werden muss, sie einzuüben. Die zugrundeliegenden Körper- und Geistmechanismen zu respektieren und ihnen sozusagen zu "gehorchen".
Dazu können Bücher wie das von Norbekov natürlich helfen, weil die geschilderten "Übungen" sicher einen Zugang zum Funktionieren des Sehsystems geben.
Die Hauptarbeit aber leistest du, indem du eingedenk des oben Gesagten (ich will Plan A wiederfinden und danach vorgehen) in kontinuierlicher Selbstbeobachtung und Feinarbeit das aus Büchern oder hier im Forum Gelesene in die Tat umsetzt. Du musst das gute Sehen praktizieren - mit der Tendenz "immer öfter, immer länger".
Im oben genannten Gehorchen steckt auch "Horchen". Hinhorchen, was dein System rückmeldet, wenn du anfängst, gutes Sehen zu praktizieren, ist eminent wichtig. Du wirst dann mit der Zeit merken, dass es dir doch das eine oder andere zu erzählen hat, die natürliche Bedienungsanleitung also nicht komplett verschütt und deinem Zugriff entzogen ist.
Wer mit den Büchern Erfolge hatte (und hier im Forum gibt es ein paar Leute, die speziell auf das Norbekov-Buch schwören, ich selber kenne es nicht), hat meines Erachtens schlicht begriffen, worum es wirklich geht. Es geht also nicht um das Absolvieren mechanischer Zeit- und Methodenpläne.
Akzeptiere die Hindernisse im Alltag. Sie gehören zu deinem jetzigen "Seh-Leben" dazu. Eine Entschuldigung dafür, sich doch nicht auf den Weg zu machen, sollen sie aber nicht sein. Man kann das gute Sehen auch mit Brille praktizieren. Du wirst dann schnell merken, dass du mit unterkorrigierter Brille besser siehst - das ist ja auch schonmal was.
Wenn du dich mit Flos stark von William Bates inspiriertem Ansatz auseinandersetzen möchtest, ist sein Fred "Missverständnisse sind ne üble Sache" zum Einlesen sehr sinnvoll:
http://www.augen-training.com/vorstellu ... t1520.html
Mein eigener Fred heißt "Ich habs geblickt, Sehen ist ganzheitlich":
http://www.augen-training.com/ich-habs- ... t1598.html
Ich finde, das Wiedersehenlernen lohnt sich auch dann, wenn man das Ende der Fahnenstange erst mal noch nicht sieht. Du wirst mit noch ein paar mehr Überraschungen beschenkt werden, wenn du dich auf diesen Weg machst. Ich selber habe bei noch nicht dauerhaft perfekter vollscharfer Sicht schon mal zwei Hauptvorteile selbst erfahren:
1. meine Augen sind insgesamt weniger angestrengt, seit ich so mit ihnen verfahre
2. ich kann irgendwie "besser geradeaus denken".
Viel Spaß beim Wiedereinstieg in dieses spannende Thema!
Susa