„Sehen wie ein Adler“ von Dietmar Bittau
Ein ganzheitliches Trainingsprogramm zur Verbesserung des Sehvermögens
Ich sehe etwas, das Du nicht siehst und das ist…, so beginnt ein bekanntes Kinderspiel, das, entsprechend verstanden, viel über unsere Sichtweise verrät. Treten zwei Menschen in einen ihnen bislang unbekannten Raum, betrachten ihn kurz und verständigen sich später darüber, was sie gesehen haben, so wird ihr Urteil recht unterschiedlich ausfallen. Obwohl mit der gleichen Situation konfrontiert, nehmen sie unterschiedliche Dinge wahr und haben dabei auch verschiedene gefühlsmäßige Eindrücke.
Das verrät uns, das Sehen nicht nur ein organisch-mechanischer Vorgang ist, sondern dass eben auch in gar nicht unerheblichen Maße psychisch-holistische Faktoren eine Rolle beim Sehvorgang spielen. Dietmar Bittau hat in langjähriger praktischer Arbeit mit Sehschwachen ein ganzheitliches Konzept entwickelt, das die Grenzen der Symptombehebung weit überschreitet, Seh-Prothesen langsam überflüssig werden lässt und richtig Sehen wieder erlernbar macht.
Neben einführenden Erläuterungen über die verschiedenen Sehschwächen wird der psychische Hintergrund deutlich, der Mit-Auslöser einer bestimmten Augen-Problematik war: Vom Symptom auf die Ursache schließen und aus der Ursache eine adäquate Therapie entwickeln.
Den Hauptteil des Buches machen die ausführlichen Augen- und Sinnesübungen aus, die zu einer neuen, bewussteren Art der führen können. Es ist ein praxisorientiertes Buch. Die kurz umrissene ganzheitliche und fast zu einfach erscheinende Theorie bestätigt sich schon nach der Durchführung von nur wenigen Übungen: Die Art der Wahrnehmung ändert sich und die Dinge sehen anders aus.
Inhaltsverzeichnis
1. Die Augen sehen nicht
2. Kleine Anatomie des Sehvorgangs
3. Psychologie des Sehens
a. „Ich sehe etwas, was Du nicht siehst“
b. Ich kann nicht sehen! I
4. Sehschwäche, ein Schutzmechanismus
a. Persönlichkeitsstruktur des Kurzsichtigen
b. Persönlichkeitsstruktur des Weitsichtigen
c. Alterweitsichtigkeit
d. Astigmatismus
5. Wieder klar und deutlich sehen
6. Sehen wie ein Adler: Ein ganzheitliches Sehtraining
a. Atem und Hara
b. Wenn die Augen müde und überspannt sind
7. Mit den Augen üben
8. Körperbewusstsein entwickeln
9. Emotionen ausdrücken
10. Selbsterfahrung durch Meditation
11. Übungsprogramme
12. Literaturhinweise
Einleitung:
Auf dem Gebiet der Heilung von Sehschwächen haben es Außenseiter nicht leicht. Groß ist die Zahl der schulmedizinisch ausgebildeten Augenärzte, die sich über die Verordnung von Brillen und Kontaktlinsen hinaus keine weiteren Gedanken zur Therapie machen. Dabei sind Sehhilfen lediglich Prothesen und können somit niemals zur Heilung beitragen, in der Regel verschlechtert sich die Sehkraft zusehends. Da in unseren Breiten bereits schon jeder Zweite zeitweise oder dauernd eine Brille trägt hat man sich an diesen Anblick gewöhnt. Selbst brilletragende Kinder fallen nicht mehr auf, was vor wenigen Jahrzehnten noch eine trauriger Anblick war. Doch wo liegen die Gründe dieser geradezu epidemieartig um sich greifenden Störung? Und weshalb finden wir besonders in zivilisierten Ländern besonders viele Sehschwache?
Dieses Buch will darauf eine Antwort geben, möchte einen alternativen Weg aufzeigen, der zur wirklichen Heilung führen kann. Mit echtem Bemühen ist dieses Ziel für viele Brillenträger erreichbar: Ein Leben frei von Vorsatzlinsen und damit ein befreites Sehen. Letztendlich kommt dieses Bemühen nicht nur den Augen zugute, sondern führt zu einem insgesamt entspannteren und bewussteren Leben.
Ich wünsche mir, dass meine hier vorgestellten Erfahrungen und die daraus entwickelten Übungen Einlass finden, denn nur durch Öffnung von Grenzen kann Neues aufgenommen und verarbeitet werden.
Es wird eine Arbeit an den Augen, aber auch an sich selbst werden. Ich möchte nur ein Begleiter auf dem Weg sein, den jeder für sich gehen wird.
Dietmar Bittau
Zu 1. Die Augen sehen nicht
Die Augen sehen nicht, ebenso wenig wie unsere Ohren hören und die Nase riecht. Die Augen sind lediglich Empfindungsorgane. Die Wahrnehmung geschieht auf einer anderen Ebene. Unsere Sinnespforten nehmen Impulse auf, die über Nervenbahnen zum Gehirn gelangen. Es sind Kontraste, also Hell-Dunkel-Unterschiede, und Farben, die als Impulse zu den Sehzentren geleitet werden. Bis dorthin können wir den organischen Teil des Sehvorgangs verfolgen. Doch wir sehen noch nicht. Die eigentliche visuelle Wahrnehmung ist ein Bewusstwerdungsprozess. Was mir bewusst wird, das sehe ich. Oder anders gesagt: Nicht die Augen oder das Gehirn sehen, „ich“ sehe. Wer sich dies einmal ganz klar macht, versteht, wie uneffektiv die ganzen Diskussionen um die Ursachen von Sehstörungen oder Sehfehlern sein können, solange sie nur im Auge oder generell im organischen Bereich des Sehvorgangs gesucht werden. Dort sind sie nicht zu finden. Denn sehen ist ebenso ein seelisch-psychischer Vorgang. Man kann es auch auf andere Weise verdeutlichen: Lege dieses Buch beiseite, setze dich bequem hin, schließe die Augen und stelle dir eine Blume vor. Mit einiger Übung, oder auch schon sofort, kannst du sie deutlich sehen, ihre Form und Farbe beschreiben und sie anschließend aus dem Gedächtnis reproduzieren. Du erfährst in diesem Moment den Sehvorgang, der ohne Beteiligung der Augen auf einer anderen Ebene stattfindet. Nicht ohne Grund spricht man auch vom „inneren Auge“. Aus diesem tieferen Verständnis heraus wird klar, dass Sehschwäche, also die Einschränkung der Wahrnehmung, auch genauso dort passiert, im Bewusstseinsbereich. Wenn man nicht klar und deutlich sehen kann, macht man sich die Dinge nicht klar und deutlich bewusst. Auf diesen Nenner lassen sich letztendlich alle Sehprobleme bringen. Weshalb wir uns hier dennoch größtenteils mit dem Organ Auge beschäftigen, hat folgenden Grund.
Der Mensch ist eine Einheit aus Körper, Seele und Geist. Der Geist als Vertreter des Lebensprinzips kann beim Sehvorgang außer Acht gelassen werden. Wichtig ist die Beziehung Körper – Seele (Seele = Bewusstsein). Zum Wesen einer Einheit gehört, dass sich die einzelnen Teile auf allen Ebenen ausdrücken. So zeichnet sich das Seelische im Körper und umgekehrt das Körperliche im Seelischen ab. Unser Körper ist damit ein Abbild seelischer Inhalte und Vorgänge. Da sich die Seele der unmittelbaren Betrachtung entzieht, konzentrieren wir uns stärker auf die „Sprache“ des Körpers, um Prozesse und Abläufe im Bewusstsein zu erkennen und zu verstehen. Dies entspricht der uralten Erkenntnis, dass gemäß dem Prinzip der Analogie Gesetzmäßigkeiten eines Systems Rückschlüsse auf Gesetzmäßigkeiten eines anderen Systems erlauben. Auf den Sehvorgang bezogen heißt das, dass wir von den körperlichen Funktionsprinzipien des Auges Rückschlüsse über die „Sichtweise“ des Seelischen ziehen können.
Zu 3. Psychologie des Sehens
Die körperlichen Aspekte alleine lassen uns den Sehvorgang und seine möglichen Beeinträchtigungen allerdings nicht vollständig begreifen. Erst wenn wir die Entsprechungen auf seelischer Ebene betrachten, wird es interessant. Nur vor dem psychisch-seelischen Hintergrund bekommt das Körperliche von Bedeutung.
Ein Muskel kann von sich aus weder kontrahieren noch sich entspannen. Für eine Aktion bedarf es immer eines Befehls, eines Impulses von Steuerungszentren. Medizinisch sprechen wir von Nervenzentren und unterteilen funktionell in animales und vegetatives (autonomes) Nervensystem. Ersteres unterliegt der Beeinflussung durch den Willen, das Vegetativum dagegen funktioniert unwillkürlich. Der Vorgang der Akkomodation würde nach dieser Grobeinteilung der Zuständigkeit dem vegetativen Nervensystem zuzurechnen sein, im Gegensatz etwa zu willentlich beeinflussbaren Bewegungen wie das Rollen der Augen. Diese Einteilung dient der medizinisch-wissenschaftlichen Orientierung, da wir heute so viel von vegetativen Funktionen lesen. Die Diagnose „vegetative Dystonie“ ist ja ein Schlagwort in der heutigen Krankheitsbeschreibung geworden. Wir könnten so gesehen auch Sehschwäche und Sehfehler der vegetativen Dystonien zuordnen: eine Dysfunktion des vegetativen Nervensystems. Für unsere weiteren Betrachtungen müssen wir die Ebene wechseln.
Zu 3.a „Ich sehe etwas, was du nicht siehst“
Ausgehend vom Augenmuskel, de seine Anweisungen über die Nerven bekommt, müssen wir fragen, wer denn das Nervensystem informiert. Diese Informationen sind nicht fassbar. Sie kommen aus Bewusstseinsbereichen und sind nicht unmittelbar willentlich steuerbar. Sonst könnte man ja sofort wieder klar und deutlich sehen, wenn man es nur wollte. Die Information, die ich meine, kommt aus dem Bereich des Unbewussten. Indem man bewusster wird, was letztlich Ziel dieses Buches ist, kann man den Zugang zu diesen Informationen bekommen.
Wenn du dich für diese Bereiche öffnest und somit Bewusstseinsschritte tust, wirst du erkennen, warum du deinem Auge unbewusst Informationen gibst, den Sehvorgang einzuschränken und die Außenwelt nicht klar zu sehen. Nur das gibt dir die Möglichkeit, daran etwas zu verändern. Und ich möchte dir den Schlüssel dazu geben.
Jeder wird in seinem Handeln von Gefühlen und Emotionen beeinflusst. Für das Wie der Beeinflussung ist die Einstellung ihnen gegenüber entscheidend. In jedem von uns ist die gesamte Gefühlspalette von zarten Gefühlen wie Liebe, Geborgenheit, Trauer, Zuneigung und Zärtlichkeit bis zu Verzweiflung, Wut, Ärger und Aggression potentiell vorhanden. Mit jedem Gedanken ist ein Gefühl verbunden, auch wenn wir für viele der feineren Gefühlsregungen die Empfindungsbereitschaft verloren haben. In irgendeiner Weise verlangt jedes Gefühl danach, sich Ausdruck zu verleihen. Wenn dir der Begriff Gefühl nicht gefällt, kannst du es auch Energie nennen. Energie muss fließen, sonst kommt es zu Stauungen und Blockaden. Ausdruck solcher Blockaden ist zum Beispiel die erhöhte Muskelspannung in den Augen, wenn man kurz- oder weitsichtig ist. Deine Gefühlswelt ist also für die Wahrnehmung von zentraler Bedeutung. Du wirst dich mit ihr auseinandersetzen müssen, um deine Sehschwäche zu verstehen.
Wie fühlst du dich jetzt? Versuche, dein momentanes Gefühl zu beschreiben, nicht Körperempfindungen, sondern dein Lebensgefühl. Ist das schwierig für dich? Viele haben den Zugang zu Gefühlen verloren, die nicht so stark nach Ausdruck verlangen wie beispielsweise Wut oder Hass.