Hallo allerseits.
Das Thema „Augentraining“ - mittlerweile gefällt mir zwar der Ausdruck nicht mehr so gut, beschäftigt mich seit ca 25 Jahren.
Als Kind hatte ich eine gewisse Sucht nach Schärfe. Ich erinnere mich, dass ich mich mit anderen Kindern immer messen wollte, wer besser sieht. Leider stellte der Schularzt schon wenig später (im Alter von 10 Jahren) Kurzsichtigkeit fest und ich erhielt meine erste Brille.
Mein Augenarzt von seinerzeit, hätte – rückblickend betrachtet – gut in dieses Forum gepasst, denn er verschrieb mir immer leicht unterkorrigierte Brillen (also um ca 0,25 Dioptrien zu wenig), er war aber bei jeder Kontrolle immer enttäuscht, dass sich meine Sehleistung konstant verschlechterte. Das ging munter so weiter, bis ich ungefähr 18 war und meiner (ebenfalls kurzsichtigen) Schwester das Buch von Lisette Scholl in die Hände fiel.
Naja, und dann begann die erste Zeit meiner Beschäftigung mit Augentrainingsmethoden – mit wechselndem Erfolg. Ich konnte in bestimmten Situationen wirklich eine Verbesserung feststellen oder fühlen, mein Ziel (meine damals ca 3 Dioptrien wegzubekommen), erreichte ich aber nicht annähernd.
Als die Generation der ersten Heimcomputer anbrach (ca. 1983, ich war 19) kaufte ich mir auch einen, schloss diesen an den Fernseher an, und programmierte drei Tage lang nonstop, mit dem Resultat, dass sich meine Augen in diesen wenigen Tagen drastisch (ich schätze so um eine halbe Dioptrie verschlechterten). Für mich heute ein Hauptindiz, dass falsche Sehgewohnheiten und Überanstrengung (die Bildschirmauflösung war ein Horror) für Kurzsichtigkeit (mit-)ursächlich für Fehlsichtigkeit sind.
Dasselbe passiert mir mir zwei Jahre später nochmals mit dem ersten Gameboy. Ich spielte ein paar Tage Tetris und zack: Augen viel schlechter.
Bis zu meinem ungefähr 23 Lebensjahr verschlechterten sich meine Augen bei nahezu jeder Kontrolle konstant. Bei minus 3,75 hörte ich dann mit dem Nachkorrigieren auf. Zwar verschlechterten sich meine Augen gefühlsmäßig sofort wieder nach dem Anpassen der letzten Brille. Ich ließ es aber dabei bewenden. Diese Brillenstärke trage ich seit 20 Jahren.
Vor ein paar Jahren ließ ich mir für den Sport Kontaktlinsen anpassen und der Optiker bestätigte mein Gefühl, dass mir mit der Brille ca ein halbe Dioptrie zur vollen Sehschärfe fehlen. (Meinem Gefühl nach fehlt mir diese halbe Dioptrie seit 20 Jahren ohne weitere Verschlechterung). Ich verbuche dass als Erfolg, da meine Schwester im gleichen Zeitraum mit jeder Brillenanpassung Ihre Augen auf 10 Dioptrien „hochschraubte“.
Nun zu meinen Thesen:
Ich glaube, - so wie hier die meisten – dass das Sehverhalten mitentscheidend für die Ausprägung von Fehlsichtigkeit ist. Vor allem aber auch ein gewisses Trachten nach „Perfektionismus“.
Ich glaube zum Beispiel oft an Kunstwerken erkennen zu können, ob diese von stark kurzsichtigen Menschen gemacht wurden. Freunde von mir sind oft perplex wenn ich ein Bild von einem unbekannten Künstler sehe und dann frage, ob derjenige Künstler stark kurzsichtig ist. Das ist meines Erachtens oft der Fall, wenn die Werke überperfekt oder detailreich mit viel Tiefenschärfe gestaltet sind. Der Maler Gottfried Helnwein ist für mich so ein Beispiel (der hat früher jede Schweißpore abgezeichnet). „Schlampige“ oder „unscharfe“ Kunstwerke
Sind meiner Erfahrung nach eher selten von kurzsichtigen Leuten.
Das ist vielleicht auch die Falle, in die man mit dem (grundsätzlich postiven) Augentraining tappen kann. Die Literatur, die ich dazu gelesen habe und auch viele Eurer Forumsbeiträge neigt jedenfalls in der „Trainingsmethodik“ manchmal zu einem gewissen Perfektionismus.
Ich habe die besten Erfahrungen immer dann gemacht, wenn ich mich mit meinen Augen spielerisch auseinandersetze.
Irgendwann machte ich auch die Erfahrung, dass es mir hilft, den Spieß umzudrehen: Ich delektiere mich heute geradezu an Unschärfe. Das macht mir richtig Spaß und vermittelt mir Supereindrücke. Bei schwierigen Konferenzen, wenn mich die Blicke und die Nähe mancher Gesprächsteilnehmer einengt, setze ich die Brille ab und voila – alles easy – ich halte jedem Blick stand und fühle mich echt befreit. Überhaupt befreit es mich sehr, Dinge unscharf zu sehen oder prinzipiell unscharfe Dinge, wie Wolken anzuschauen.
Der Witz an der Angelegenheit ist, dass ich, wenn ich die Unschärfe suche oder zulasse, die Schärfe (quasi als „Bestrafung“) von selbst kommt. Wenn ich also in einen unklaren Himmel sehe oder auf Wolken (mit oder ohne Brille) schaue, sehe ich nachher für eine gewisse Zeit deutlich schärfer. Die leichte Unschärfe (durch Unterkorrektur der Brille) stellt sich bei mir immer dann ein, wenn ich danach eifere, scharf zu sehen oder versuche die Schärfe festzuhalten.
Ich hab mir in den letzten Jahren angewöhnt, Dinge nicht mehr zu durchdringen und festzunageln, sondern eher den Gesamteindruck auf mich wirken lassen. Zudem hilft mir die englische Seh-Phrase „what hits the eye“ ziemlich auf die Sprünge. Das Schauen und sehen ist für mich besser, wenn ich es „passiv“ auffasse, also die Dinge mit einem offenen Blick auf mich wirken lasse und auf mein Auge treffen lasse. Ich merke dann oft, dass ich – minimal aber doch - vorher geradezu verkrampft gestarrt habe.
Hinsichtlich des hier oft praktizierten Unterkorrigierens der Brille: Ich mach das ja selbst seit 20 Jahren, hab dazu aber was anzumerken. Es gibt (zumindest eine) seriöse Studie – und die ist für mich plausibel – bei denen unterkorrigierte Brillenträger voll korrigierten gegenübergestellt wurden und – leider – haben die unterkorrigierten im Schnitt nach ein paar Monaten eine deutliche Verschlechterung gegenüber den vollkorrigierten erlitten. Das ist für mich plausibel. Das Unterkorrigieren kann nämlich meiner Ansicht nach auch zur „Falle“ werden. Z.B.: wenn diese sich in einem Bereich abspielt, wo der Brillenträger dauernd VERSUCHT, scharfzustellen. Dann kommt sehr schnell die Überforderung des (Auges und der Seele) und schwuppdiwupp alles wieder schlechter. Zumindest eine Forenteilnehmerin hat ja davon schon mal berichtet. Die Unterkorrektur ist meiner Erfahrung nach dann hilfreich, wenn diese so stark ist, dass gar nicht mehr versucht wird, scharf zu stellen und man die Unschärfe zulässt. Dann gibt das Auge den Kampf irgendwie auf und schwupp die wupp, das Starren ist beendet und das schärfer sehen stellt sich bei mir von selbst ein. Sehr hilfreich sind auch diese 3D-Bilder mit dem magischen Auge. Mir ist aufgefallen, dass kurzsichtige Leute auch bei voller Sehkorrektur sich mit diesen Bildchen viel schwerer tun. Vermutlich liegt das daran, dass sie immer am „scharfen“ Detail hängen bleiben anstatt durch das Bild durchzuschauen.
So das waren jetzt nur ein paar Gedanken, ich könnt noch viel dazu beitragen, aber ich habe den zulässigen Rahmen wohl bereits bei weitem überschritten und entschuldige mich dafür.
Seid alle gegrüßt. Eure Beiträge lassen darauf schließen, dass Ihr einen abwechslungsreichen Weg eingeschlagen habt, der Euch viele Ahaerlebnisse bereiten wird.