Hallo Niobe.
Wenn du nun besser siehst, kann es also trotzdem sein, dass sich [trotz Verbesserung des Visus'] die Augenform nicht verändert hat und der Augapfel immer noch verlängert ist? // Das macht mir ein bisschen Angst, denn ich mache das Sehtraining gerade deshalb, weil ich hoffe, diese Verlängerung des Augapfels ein bisschen zu verringern - ich habe mit meiner hohen Dioptrienzahl Angst vor einer Netzhautablösung. // Also besser Sehen super, aber noch lieber wär mir eigentlich, den Druck auf die Netzhaut zu reduzieren, wenigstens etwas, sodass ich aus dem "Gefahrenbereich" ein bisschen raus bin. // Kann mir das jemand beantworten?Zunächst: Was genau im Auge eines Kurzsichtigen los ist, dass ein Brechungsfehler auftritt, ist auch heute noch eine letztlich nicht geklärte Frage, auch wenn häufig in der einschlägigen Literatur die Aussage zu finden ist, dass schlichtweg "der Augapfel zu lang gewachsen ist". Dem widersprechen allerdings einige Fakten, unter anderem die sich mitunter außerordentlich rasch vollziehende Veränderlichkeit des Brechungsfehlers.
Du hast es ja bereits am eigenen Leibe erlebt. Sicher ist lediglich, dass im Falle von Kurzsichtigkeit das von der Linse erzeugte Bild nicht direkt auf der Ebene der Netzhaut liegt, sondern ein gewisses Stück weit davor.
(Im Falle von neun Dioptrien sind es zum Beispiel knapp drei Millimeter.) Ebenso ist sicher, dass im Falle von starker Kurzsichtigkeit das Risiko für ein Auftreten von bestimmten Formen der Netzhautablösung erhöht ist. Plausiblerweise muss man bei diesen Formen der Netzhautablösung davon ausgehen, dass sie durch mechanischen Stress
(erhöhte Zugspannungen und -kräfte) bewirkt werden, die bei einem Augapfel, der sich (dauerhaft) nicht in seiner "Idealform" befindet, auftreten mögen.
Geht man nun davon aus, dass die Fehlsichtigkeit eine
funktionelle Störung darstellt und das Nicht-Zusammenfallen von Netzhautebene und optischer Abbildung – über eine jeweils gerade vorliegende "unpassende" Augapfelgestalt – in irgendeiner Weise von der außen am Augapfel befestigten Muskulatur ausgeht, so ergibt sich die Schlussfolgerung, dass ein Sehtraining, welches eine dauerhafte Verringerung des Brechungsfehlers bei gleichzeitigem anstrengungslosen Sehen bewirkt, das Risiko einer Netzhautablösung eher verringert als vergrößert. Eben weil der Augapfel in dem Falle nicht mehr dauerhaft in der die Netzhautablösung bedingenden "falschen" Form gehalten wird.
Und geht man davon aus, dass die Fehlsichtigkeit eine
organische Störung darstellt und das Nicht-Zusammenfallen von Netzhautebene und optischer Abbildung – über eine vorliegende "unpassende" Augapfelgestalt – durch eine von der Muskulatur unabhängige Augapfel-Fehlbildung hervorgebracht ist, so ergibt sich ebenfalls die Schlussfolgerung, dass ein Sehtraining, welches eine dauerhafte Verringerung des Brechungsfehlers bei gleichzeitigem anstrengungslosen Sehen bewirkt, das Risiko einer Netzhautablösung eher verringert als vergrößert. Und auch ein Sehtraining, welches keine dauerhafte Verringerung des Brechungsfehlers bei gleichzeitigem anstrengungslosen Sehen bewirkt, wird das Risiko nicht erhöhen, sondern es höchstens unverändert belassen.
Und geht man davon aus, dass die Fehlsichtigkeit eine organische und/oder funktionelle Störung darstellt, bei der das Nicht-Zusammenfallen von Netzhautebene und optischer Abbildung durch eine vorliegende gestörte Linsenakkommodation hervorgebracht ist, so ergibt sich ebenfalls die Schlussfolgerung, dass ein Sehtraining, welches eine dauerhafte Verringerung des Brechungsfehlers bei gleichzeitigem anstrengungslosen Sehen bewirkt oder dies auch nicht tut, das Risiko einer Netzhautablösung nicht erhöht, sondern es entweder unverändert lässt oder verringert.
Und aus all dem folgt
(ganz unabhängig von den physiologischen Zusammenhängen der Kurzsichtigkeit): Ich sehe keinen Grund, Angst zu haben, dass durch ein Sehtraining, welches nicht darauf fußt, sich oder die eigenen Augen in einen (dauerhaften) Zustand der extremen Anspannung oder Anstrengung zu versetzen und/oder sich bzw. sie dort zu halten, der Sehapparat in einen Zustand gebracht wird, der einerseits die Sehschärfe erhöht (also faktisch den Brechungsfehler verringert) und andererseits das Risiko für die myopie-bedingte Netzhautablösung anwachsen lässt. Und auch ein derartiges Sehtraining, welches die Fehlsichtigkeit nicht beeinflusst, erhöht dieses Risiko nicht.
Viele Grüße,
Flo