Siehe aber den Nachtrag unten!
Martin/T. hat geschrieben:Ich versuche jetzt, ein Sensorium dafür zu entwickeln, wie ich "latent gute" (d.h. krampflose) Momente [...] Wenn es mir dann möglich wird, die letzteren zurückzudrängen, kann ich endlich gefahrlos brillenlose Nahsicht genießen.
Und dann wäre die aktive Phase meines Augentrainings zu Ende.
Mehr darüber im nächsten Eintrag.
Das mit dem AKTIVEN, koordinierten Zurückdrängen der kurzsichtigen Nahsicht zugunsten der latent guten Momente (akkommodiertes emmetropes Sehen), ist so eine Sache. Aber wahrscheinlich auch völlig unnötig ...
Ich habe mir letzten Freitag, am 16., einfach ein Herz gefasst und die Prismenbrille beiseite gelegt. (meine Übungsbrille, also eine Art therapeutisches Handicap, keine Sehhilfe, hier zur Erklärung ... aber eben auch ein Präventionsinstrument, zum Schutz der noch fragilen Fernsicht, siehe weiter im Text ...) Jetzt nutze ich die Brille noch für die gelegentliche Auflockerung bei 1m-Lesen, in den ersten Tagen etwa fünf Minuten alle halbe Stunde, jetzt meist seltener und nach Bedarf. Es hatte auf Anhieb insofern Erfolg, als häufige Stichproben ergaben, dass die guten Momente in der (dann nur noch gelegentlichen) Fernsicht proportional nicht seltener waren als vorher bei der durchgehenden (künstlichen) Fernsicht. Direkt nach den und während der Trageintervalle klappt die Scharfstellung in der Ferne aber häufig doch noch etwas sicherer und schneller.
Nach wenigen Tagen schon habe ich die Fünf-Minuten-Regel nicht mehr streng eingehalten und inzwischen trage ich die Brille eigentlich nur noch in den Abendstunden, die bis heute etwas "angefochtener" sind.
"Angefochtener" meint, dass ich zuletzt immer deutlicher meistens in den Vorabendstunden eine Art Erschöpfungsmoment mitgekommen hatte, wo die Nahsicht anstrengend wurde, (*) diese Anstrengung dann mit Gewalt erbracht wurde und daraufhin die Fernsicht blockiert war. Danach waren gute Momente (Ferne) den ganzen Abend über kaum mehr erreichbar.
(*) Schwer zu beschreiben, inwiefern das "anstrengend" war: Es war jedenfalls ein distinktes unangenehmes Gefühl, nicht so sehr "überlastet" als vor allem irgendwie "impotent", auch leicht desorientiert, schwindelnd.
Ich denke, diese Erschöpfungsmomente sind darauf zurückzuführen, dass auch die Prismenbrille - zwar deutlich weniger als die einfache Lesebrille, aber eben auch sie - die unterbewusste Sehkoordination auf die Dauer durcheinander bringt. Das ist eben die Kehrseite, wenn man nicht mehr - wie in den ersten Tagen - durch die Optik reingelegt wird, den Bildschirm für eine "Kinoleinwand" zu halten: Das Bewusstsein identifiziert gleiche Orientierungswerte mit verschiedenen Seheinstellungen.
So wichtig die Brille auch bisher war, um die Herausforderung in den Sehalltag hineinzuholen und damit ein aktives Training zu ermöglichen, (was es nach Bates ja eigentlich nicht gibt, - aber was soll ich sagen, wenn ich's erlebe: probieren geht über studieren!) sie ist nun selbst der letzte verbliebene Hemmschuh.
Ist bzw. war. Die ersten zwei Wochen Rückgewöhnung an die natürliche Sehausstattung sind jedenfalls ein voller Erfolg. Allmählich wird's auch abends besser. Das so vertraute Gefühl eines "dicken" linken Übungsauges geht in dem Maße zurück, wie die (latent) guten Momente die Oberhand gewinnen.
Somit kann ich endlich sagen: Ich bin so gut wie "durch".
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Nachtrag 4.12.2010: Wenn ich das hier schreibe, habe ich schon wieder etliche Wochen mit (fast) dauerndem Brilletragen hinter mir. Doch ohne Reue. Auch die Analyse (aus den letzten Abschnitten dieses Kommentars) kann ich nicht mehr unterschreiben: Die "asthenopischen Beschwerden" (die ich im Kleindruck beschrieben habe, ich denke, dieser - ja an sich vage - Begriff trifft es am besten) werden durch die allgemeine "Neigung zum Verkrampfen" ausgelöst, die daher kommt, wenn ein (oder beide) Auge(n) in einem Bereich arbeitet, in dem es Schwierigkeiten hat oder wo beide Augen im Zusammenspiel Probleme haben (Orthophorie, gleichmäßige Schärfe). Das kann ich inzwischen derart verallgemeinern, nachdem ich auch vom Nahsehen her eine umfassendere Erfahrungsgrundlage habe. Sie sind aber allgemein auf dem Rückzug - trotz wieder häufigeren Brilletragens.
Das Brilletragen an sich schadet nicht (nur für unprismatische Lesebrillen würde ich mich aber auch weiterhin nicht verbürgen ). Die Schwäche der Abendstunden ist weithin überwunden. Auch der Anpassungsbedarf nach der Naharbeit wird immer freundlicher.
Mal schaun, wie lang's noch dauert. ... bis ich wirklich den Brillen nichts mehr abgewinne, weil die Fernsicht prompt und sauber kommt. Mittlerweile ist die Wahrscheinlichkeit dafür etwa 50%. So hoch wie noch nie. Auch die "Hintergrundsehschärfe", also der durchschnittliche Visus (in der Ferne) oder besondere Konzentration aufs Sehen, hat sich seit Sommer wieder deutlich gebessert. Oder auch seit letztem Winter, wo man den Vergleich leicht ziehen kann.