Hallo FoxRob,
auch ich habe dein PDF gelesen. Ich stimme Supamario zu, irgendwas ist da mindestens missverständlich an deiner Aussage, dass die Zeitabstände kürzer werden. Wie ich vorgestern bereits in "deinem" Thread geantwortet habe: Ich komme ja gleichfalls aus der Bates-Ecke und stimme dir ansonsten prinzipiell zu, soweit ich persönlich meine zu verstehen, wie du das Wiedersehenlernen betrachtest.
Was ich jetzt schreibe, hänge ich mal an diesem Satz aus deinem Text auf: "Ich sehe kein Haus, sondern ich sehe ein Fenster, ein weiteres Fenster, einen Kamin, eine Tür usw."
Du meinst vermutlich, dass du (bzw. der geistige Anteil deines Sehsystems) gerade ein bestimmtes Haus ansehen möchtest. Und weil du schlau bist und Bates gelesen hast, siehst du nun brav nacheinander die verschiedenen Sehdetails an diesem Haus an, statt das Haus "einfach nur so" in toto "anzustarren". Soweit, so gut, aber ein bisschen kurz gesprungen.
1. Bei Bates geht es darum, Details voneinander (unter)scheiden zu können. Es geht wohlgemerkt nicht ums Scharfsehen. Genau das aber assoziiert jeder Kurzsichtige sofort, wenn er "sehen" liest.
Denn genau da will er doch hin: wieder scharf sehen können! Deshalb ist es wichtig, von unterscheiden zu reden. Das ist bescheiden und demütig, wir wollen erst mal gar nicht mehr. (Im Übrigen sehen ja Babys auch nicht von Anbeginn scharf. Sie unterscheiden Details und mit der Zeit hat ihr System samt Hirn es raus, wie es die Infos verrechnen muss, damit das Bild scharf wird.)
2. Das Unterscheiden von Sehdetails erfolgt in einem bestimmten geistigen Rahmen, den man mehr oder minder bewusst und der Situation angepasst wählt. Es ist die Szenerie, die man (aus einem bestimmten Grunde) grade ansehen möchte, ob das nun ein Haus ist, die Klingelschilder daran, ob ein Berg oder See, ob die Papierstapel links von mir auf dem Schreibtisch, die auf dem Herd stehenden Töpfe, das Uhrwerk der Uhr, die man grade repariert ... Ganz egal!
3. Das von dir angesprochene Hin und Her zwischen Details ist in erster Linie ein geistiges. Deine Aufmerksamkeit geht spielerisch zwischen den Details hin und her. Es ist kein dezidiertes Hin und Her der Augen, sondern der Geist "oszilliert" mehr oder minder bewusst zwischen den scheidbaren Sehdetails hin und her, die Augen folgen über kurz oder lang automatisch. Damit es nicht zur geistigen Überlastung (dem berühmten Batesschen "strain") kommt, sind meiner Erfahrung nach drei bis fünf scheidbare Sehdetails im Rahmen ausreichend, um den Geist nicht zu langweilen und die Augen gleichzeitig "beweglich zu bekommen". Es ist wie beim Jonglieren mit drei, vier, fünf Bällen: Alle sollen gleichzeitig in der Luft bleiben. So ist es auch beim Sehen.
Also: Den seh-geistigen Rahmen festlegen. Man stelle sich der Einfachheit halber einen querformatigen Rahmen vor, den man gedanklich um die Szenerie zieht. Er muss eine Größe haben, dass man darin drei bis fünf Sehdetails unterscheiden kann. Mehr ist prima, muss aber nicht sein. Ist man so kurzsichtig, dass man "das Haus" in deinem Beispiel gar nicht erst erkennt, muss man den Rahmen größer ziehen - so groß, bis man drei bis fünf Sehdetails darin scheiden kann.
So hat Bates die central vision gemeint. "Detail" meint nicht absolut gesprochen "klein und fein", sondern "für dich (mit deiner aktuellen Sehkraft) "unterscheidbar" im gerade gezogenen Sehrahmen. Es kommt, wie gesagt, nicht darauf an, diese Dinge scharf zu sehen! Es geht nur ums Voneinander-unterscheiden-Können.
Um die geistige Aufmerksamkeit zwischen den Sehdetails "jonglieren" zu lassen bzw. ein Gespür dafür zu kriegen, hilft es meiner eigenen Erfahrung nach, wenn man das immer mal wieder vollbewusst in Ruhe tut und dabei halblaut kommentiert, was man tut. Beispiel Haus, man sagt: "Ich sehe das Fenster rechts oben, da unten links gibt es eine Tür, an der Seite ist ein Abflussrohr, ganz oben ist der Kamin ..." Durch das laute Denken koppelt man Geist und Augen aneinander an. Beim Kurzsichtigen sind sie ein Stück weit entkoppelt. Es lohnt also, sich diese gedanklichen und sehtechnischen Vorgänge ein bisschen bewusster zu machen. Unabdingbar dafür ist aber: zuvor "den Rahmen ziehen".
Diesen Rahmen kann man umgedreht natürlich auch verkleinern, wenn man darin ganz viele Details unterscheiden kann. Das wäre dann ein "Reinzoomen" in die Szenerie gewissermaßen. Sehe ich am besagten Haus z. B. im zuerst gezogenen großen Rahmen Mauerwerk, bin ich frei, den Rahmen so klein zu machen, dass ich mich darin nur mit ein paar Ziegelsteine "beschäftigen" kann. Das ist eine freie und mehr oder minder bewusste Entscheidung meines Geistes. Die Augen sind "nur" seine ausführenden Hilfsorgane. Du kannst jederzeit auch die Detailfülle in einem großen Rahmen genießen, aber noch ungeübte Kurzsichtige verfallen dann leicht wieder in die "Optionsparalyse", wissen gar nicht mehr, wohin sehen, verlieren die geistige Fokussierung und sehen nur noch "Matsch", sprich unscharf.
Zusammengefasst also: Ein dezidierter, von mir festgelegter geistiger Rahmen. Drei bis fünf unterschiedbare Details darin. Sie müssen nicht scharf sein, nur unterscheidbar.
Nach allem, was du bisher geschrieben hast, könnte ich mir vorstellen, dass du das auch so meinst. Dein Text drückt es aber nicht präzise genug aus. Und da er ja die Kurzsichtigen von deiner Methode überzeugen will, solltest du ihnen Brücken bauen, dass sie nicht versehentlich in ihre alten Sehfalle tappen: Scharfsehenwollen auf Teufel komm raus.
Viel Erfolg mit deiner Methode!
Susa