Eines vorab: Auch wenn ich mich nun entschlossen habe, den lang angekündigten Themenpfad ein wenig sachlich-hochtrabend zu überschreiben, enthält er überwiegend eigene Erfahrungen und versteht sich ansonsten als Sammelecke für die lockere Diskussion über die Jahre hinzukommen mögender (neuer) Erkenntnisse. Da ich aber nach inzwischen fast einem Jahr Training gegen die beginnende Alterssichtigkeit, - im Anschluss an ca. zwei Jahre bis zur praktischen Überwindung meiner (leichten) Kurzsichtigkeit – eine gewisse Selbstsicherheit erworben habe, erlaube ich mir auch die ein oder andere Aussage allgemeingültig zu formulieren, auch wenn ich sie streng genommen nicht beweisen kann.
Ich hoffe, in diesem Sinne möge man mir verzeihen, wenn ich jetzt ohne Deckung ins Gefecht gehe:
Alterssichtigkeit – Schicksal oder selbsterfüllende Prophezeiung?
Augenärzte und Optiker mögen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die Verbreitung der Lese- bzw. Mehrstärkenbrille ab einem gewissen Alter ist doch praktisch universell. Viele zahlen eine Menge Geld, oder nehmen Unannehmlichkeiten in Kauf (wenn etwa wegen bestehender Schielprobleme Prismenbrillen erforderlich werden, was der begehrten Gleitsicht technische Grenzen setzt), nur um ein sicheres, angenehmes und scharfes Nahsehen zu erreichen, und da behauptet einer, es sei im Grunde einfach vermeidbar ... (Empörung) !?
Nun, eines vorweg: Genau wie beim Training gegen die Sehfehler (am Fernpunkt): Es ist nicht “einfach”, und es geht vielleicht auch nicht bei jedem. Es erfordert zumindest viel Übung & Disziplin (vielleicht nicht ganz unähnlich wie die Perfektion auf einem Musikinstrument) und wahrscheinlich auch eine gewisse “Veranlagung”, dass man einfach “den Dreh rauskriegt” (ebenfalls wie in der Kunst).
Sehen IST vielleicht tatsächlich eine Art Kunst, wenn auch eine, die die meisten im Laufe der Kindheit oder Jugend, bzw. In diesem Fall im mittleren Lebensalter, erst “verlernen”, und die dann manche, und andere eben nicht, in höherem Alter (aktiv) zurückgewinnen. Wie bei der Kunst kann über Erfolg oder Scheiten sowohl Talent, als auch Fleiß als auch Schwerpunktsetzung entscheiden. Wahrscheinlich aber im Unterschied zur (eigentlichen) Kunst gibt es hier für die meisten ein “Startkapital” (die kindlich-originäre Perfektion), auf das sich aufbauen lässt.
Nun aber in medias res: zum sachlichen Teil. Beziehungsweise erst zu meiner Grundphilosophie:
Wenn ich frage “Schicksal oder selbsterfüllende Prophezeiung”, ist meine Vermutung – gewissermaßen “die These” dieses Threads und das, wovon ich für mein eigenes Lebensexperiment in diesem Gebiet ausgehe –, dass die Wahrheit dazwischen liegt. Ich glaube weder, dass Alterssichtigkeit dasselbe ist wie die härter werdenden Gesichtszüge, noch andererseits, dass wir sie selbst verschulden, indem wir uns einredeten, sie sei unvermeidlich. Ich denke vielmehr, dass es ein natürlicher Prozess ist, bei dem es aber keineswegs natürlich ist, dass wir als Menschen (die doch an den verschiedensten Stellen des Lebens die Natur durch vernunftgesteuerte Aktion zu ergänzen pflegen) vor dem natürlichen Gang der Dinge einfach kapitulieren (bzw. nur unorganisierten Widerstand leisten, sprich: die Lesebrille hinauszögern).
Ich meine also, dass der Presbyopie zwar natürliche Alterungsprozesse zugrunde liegen, dass aber ihr schlussendlicher Effekt, der Verlust eines wesentlichen Teils der praktischen Alltagsfunktion des Auges, – und das ist es, wovon wir reden: selbst die teuerste Gleitsichtbrille oder Multifokallinse stellt nie die volle Funktionalität eines natürlich beweglichen Auges wieder her, und das dürfte selbst für zukünftige, noch zu entwickelnde Techniken gelten, die zumindest mit einem Operationsrisiko behaftet bleiben – eine Sache ist, die wir durchaus selbst erst virulent werden lassen, indem wir die sich anbietenden Gegenmaßnahmen auslassen, weil sie sowohl anspruchsvoll sind als auch gegen die herrschende Meinung der Experten gehen –, welche sie unter Umständen sogar als Risiko darzustellen neigen (... wir kommen darauf in der Diskussion).
Die Mischung aus diesen beiden Erfordernissen (“Disziplin plus Querulanz”) ist sehr potent und prohibitiv in unserer Gesellschaft, die (mit den Mitteln des “Individualismus”) zu viel Wert auf Konformität legt. Es liegt aber prinzipiell in der Macht des einzelnen, dies für sich persönlich außer Kraft zu setzen.